Pflegereform: bei angekündigten Maßnahmen fehlt der Blick aufs Ganze

  • Pressemitteilung
24. Mai 2023
Diakonie fordert grundlegende Debatte über die Reformierung der Langzeitpflege

Als "positives Zeichen, dass die Pflege auf der politischen Tagesordnung steht" sieht die Direktorin der Diakonie, Maria Katharina Moser, in einer ersten Reaktion die heute früh von Sozialminister Rauch angekündigten Pflege-Reformmaßnahmen, die im Ministerrat beschlossen werden sollen. Von einem Teil 2 der Pflegereform könne man allerdings nicht sprechen, die Diakonie bewertet die Maßnahmen "lediglich als Ergänzungen zum Reformpaket 2022". Moser: "Was fehlt, ist der Blick aufs Ganze, ein Herumdoktern an Einzelmaßnahmen ist zu wenig. Blick aufs Ganze heißt: grundlegende Pflegereform und Ausbau von bedarfsgerechten Pflegeangeboten."

Positiv wertet die Diakonie Verbesserungen bei der so genannten Nostrifizierung, der Anerkennung von im Ausland absolvierten Ausbildungen, und bei der Kompetenzerweiterung für diplomierte Pflegekräfte etwa bei der Pflegegeldeinstufung. "Die angekündigten Maßnahmen sind sehr detailliert, aber jedenfalls sinnvoll, denn in diesen Bereichen steckt der Teufel im Detail", so die Diakonie-Direktorin.

Zur Erhöhung der finanziellen Förderung für die 24-Stunden-Betreuung um weitere 160 Euro auf 800 Euro pro Monat sowie zur Erweiterung des Kreises der Anspruchsberechtigten für den Pflege-daheim-Bonus meint Moser: "Die Betroffenen werden sich freuen. Mehr finanzielle Unterstützung ist im Einzelfall immer hilfreich. Was man aber sehen muss: Die 24-Stunden-Betreuung ist ein Nischenthema. Nur 5% der knapp 500.000 Pflegegeld-Bezieher:innen nehmen sie in Anspruch. Den Pflege-daheim-Bonus hat die Diakonie immer kritisch gesehen. Er birgt die Gefahr der Familiarisierung von Pflege. Entscheidend ist, ob es Unterstützungsangebote gibt, die pflegende Angehörigen mit dem Geld kaufen können. Und der Ausbau von Unterstützungsangeboten, die pflegende Angehörige entlasten würden, steht eben nicht auf der Reformagenda. Auch die Volksanwaltschaft hat jüngst in einem Bericht das Fehlen flächendeckender wohnortnaher Pflegedienstleistungen kritisiert."

Was fehlt, ist der Blick aufs Ganze, ein Herumdoktern an Einzelmaßnahmen ist zu wenig. Blick aufs Ganze heißt: grundlegende Pflegereform und Ausbau von bedarfsgerechten Pflegeangeboten.

Maria Katharina Moser, Diakonie-Direktorin

Reformbedarf: Menschen im Alter und ihre Bedürfnisse müssen das Angebot bestimmen, nicht das System

Was aus Sicht der Diakonie Not tut: Das Pflegesystem in Österreich muss grundlegend neu gedacht und reformiert werden.

Moser: "In unserem Pflegesystem wird Geld nicht effizient eingesetzt, und es geht an den Bedürfnissen der Menschen mit Pflegebedarf vorbei. Unser System kennt im wesentlichen zwei Säulen: Pflegeheim oder mobile Pflege. Andere Angebote, um weiter zu Hause leben zu können, fehlen weitgehend. Es ist ein Entweder-Oder, das dazu führt, dass Menschen oft viel zu früh ins Heim müssen. Diese Lösung ist volkswirtschaftlich teuer und nicht das, was die Betroffenen wollen. Im Hintergrund haben wir eine Zersplitterung der Kompetenzen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, die alle die Langzeitpflege steuern. Dabei orientiert man sich an Kostenschlüsseln und verschiedenen Budgettöpfen. Derzeit bestimmt also das System das Angebot. Wir brauchen eine Pflegelandschaft, in der Menschen mit Pflegebedarf das Angebot bestimmen."

Dieses System führe auch dazu, dass die Pflegekräfte unzufrieden sind, ist Moser überzeugt: "Sie sehen, dass sie Menschen nicht so pflegen und betreuen können, wie es sich die Klient:innen wünschen. Und sie sind gezwungen, hinter ihren eigenen Ansprüchen an gute Pflege zurück zu bleiben. Das frustriert. Das ist der tiefere Grund, warum Pflegekräfte die Langzeitpflege verlassen. Der Kampf gegen den so genannten Fachkräftemangel muss bei dem ansetzen, was Pflege zu einem erfüllenden Beruf macht: auf die Bedürfnisse von Menschen eingehen zu können und Zeit für sie zu haben. Was gut ist für die Menschen, die Pflege brauchen, ist auch gut für die Pflegekräfte und ihre Motivation, im Beruf zu bleiben."

Ihre Ansprechperson zu dieser Pressemitteilung

Dr.in Roberta Rastl-Kircher
Pressesprecherin & Medienarbeit